Haushalt 2010: Mehr Kirchensteuern für alle Thüringer
Von sapere aude
Falls Sie es noch nicht wußten: Sie zahlen ordentlich Kirchensteuern. Sie sind gar kein Mitglied einer Kirche? Das ist irrelevant. Das Land Thüringen zahlt ab 2010 jährlich voraussichtlich 22 Millionen Euro an die evangelische und die katholische Kirche. Das heißt, rund 30 Euro zahlt jeder Thüringer Steuerzahler im Jahr an die beiden Kirchen, ob er Mitglied ist oder nicht.
Zweiundzwanzig Millionen Euro waren es übrigens nicht immer. 2008 waren es 19 Millionen, 2009 19,5 Millionen (Siehe PDF-Haushaltsentwurf, S. 190):
Das heißt, im ersten Haushalt nach der Landtagswahl werden die Zuweisungen an die beiden Kirchen in Thüringen um etwa 2,5 Millionen Euro steigen.
Dabei ist die Zahl der Thüringer Katholiken ist seit 1990 von rund 250.000 auf unter 180.000 gesunken. Die Zahl der Thüringer Protestanten sank von über 850.000 im Jahr 1991 auf nunmehr 531.000.
Es gibt zwei offizielle Begründungen dafür, dass so viel mehr Geld an die Kirchen gezahlt wird, auch wenn die Mitgliederzahlen sich fast halbierten:
1. Die Kirchen sind sozial-caritativ tätig. Das muss finanziert werden.
2. Die Kirchen müssen sehr viel Geld für die Erhaltung der schönen historischen Gebäude ausgeben.
Fakt ist, dass lediglich 9% des Geldes, das die Caritas jährlich ausgibt, von der der Kirche kommt. Mehr als die Hälfte der Ausgaben werden vom Steuerzahler und von den Kranken- und Pflegeversicherungen der Betreuten beglichen.
Fakt ist auch, dass die Kirchen bereits einen konkreten Betrag für die Baulasten erhalten. Im Jahre 1994 lag dieser Betrag bei 1.100.000 DM – also rund 550.000 Euro.
Wofür werden also die restlichen 21 Millionen Euro ausgegeben? Einen Eindruck der prozentualen Ausgaben kann man sich im Finanzplan der Evangelischen Kirche Deutschlands verschaffen. (Ein solcher Plan für die Evangelische Kirche Mitteldeutschlands ist im Internet nicht verfügbar):
Der Staatskirchenvertrag mit den beiden Kirchen sieht vor, dass z.B. die Pfarrer, Vikare und Bischöfe vom Staat bezahlt werden:
Artikel 13
(1) Der Freistaat Thüringen zahlt an die Kirchen anstelle früher gewährter Dotationen für kirchenregimentliche Zwecke und Zuschüsse für Zwecke der Pfarrerbesoldung und -versorgung
Außerdem zahlt das Land Thüringen noch für sogenannte “ältere Rechtstitel”. Was dieser Begriff bedeutet, wird nicht erklärt. Auf Nachfrage der THÜRINGER BLOGZENTRALE, wie es zu einer Erhöhung der Mittel für die Kirchen um 2.5 Millionen Euro kommt und wofür dieses Geld eigentlich gezahlt wird, verweigert das Kultusministerium Thüringen unter dem Kultusminister und Diplomtheologen Christoph Matschie bisher jede Stellungnahme.
April 10th, 2010 at 9:15 pm
"Thüringen zahlt ab 2010 jährl voraussichtl 22 Millionen Euro an die evangelische und die katholische #Kirche" http://bit.ly/bTsEuR
April 11th, 2010 at 12:37 am
Nunja, wenn man sich die Zahlen mal so anschaut, wäre doch auf Landesebene evtl. ein Volksentscheid das richtige, um das mal zur Debatte zu bringen und um eine Änderung in der Handhabung dieser “Problematik” zu erwirken.
Gibt es da irgendwelche Initiativen o.ä?
April 11th, 2010 at 10:35 am
Das ist eine ziemlich gute Idee.
Wäre nur die Frage, wie man das nennen sollte und welche Richtung es bekommt.
Wenn man fordert, jemandem was wegzunehmen, kommt das meist nicht so gut.
Und – das darf man nicht vergessen – Volksabstimmungen über Haushaltsfragen sind nicht möglich.
Außerdem stünde einem solchen Volksentscheid eine riesige, mächtige und finanzstarke Lobby gegenüber, die nur auf solche Machtkämpfe wartet, um zu zeigen, dass sie stärker sind.
Hier zu verlieren, wäre fatal und ein Signal zur Festigung der Theokratie in Thüringen.
April 11th, 2010 at 5:06 pm
Zwecks letzten Absatz: Hier zu kann man bei der nicht-theologischen Opposition seinen “Wahlbeauftragten” anschreiben oder anrufen, ob dieser eine (kleine) Anfrage stellt hierzu im Landtag. Soviel Transparenz gegenüber den Steuerzahler sollte es schon geben.
April 12th, 2010 at 7:15 am
RT @Blogzentrale: Thüringer Kultusministerium verweigert Stellungnahme zur Erhöhung der Kirchengelder um 2.5 Mio Euro: http://is.gd/bmXdr
April 12th, 2010 at 7:20 am
Über 21 Millionen Steuereuro an die Kirche? Hallelujah! RT @Blogzentrale:
TMBWK verweigert Stellungnahme: http://is.gd/bmXdr
April 12th, 2010 at 8:15 am
Jeder Thüringer zahlt übrigens 30 Euro Kirchensteuer ob er Mitglied ist oder nicht. http://is.gd/bmXdr via Thüringer Blogzentrale.
April 12th, 2010 at 8:19 am
RT @Elessar_81: Jeder Thüringer zahlt übrigens 30 Euro Kirchensteuer ob er Mitglied ist oder nicht. http://is.gd/bmXdr via Thüringer Blogzentrale.
April 12th, 2010 at 10:23 am
Danke für die informative Aufarbeitung.
Ich erinnere mich dunkel an eine Trennung von Kirche und Staat im Grundgesetz. Das mag jetzt naiv sein aber ich dächte mich daran zu erinnern.
Mit der Volksabstimmung habt ihr vielleicht recht. Man müsste gegen einen geübten Medienapparat agieren der seit Jahren immensen Einfluss hat.
Aber mehr Öffentlichkeit braucht diese Thema auf jeden Fall.
April 12th, 2010 at 10:31 am
[…] finde ich diesen Artikel bei der Thüringer Blogzentrale über die Kirchensteuer in Thüringen und was wir da alles […]
April 12th, 2010 at 10:41 am
syrabo, das ist eine klasse Idee. Ich werd das mal anleiern.
ALoppnow, das Grundgesetz sieht leider KEINE Trennung von Kirche und Staat vor. Im Grundgesetz steht lediglich, dass es keine STAATSKIRCHE gibt.
D.h. dass keine bestimmte Religionsgemeinschaft staatlich kontrolliert wird, wie das z.B. in England der Fall ist, wo das Staatsoberhaupt auch das Kirchenoberhaupt ist.
In Deutschland zahlt der Staat lediglich. Die Kirchen legen dann willkürlich fest, wofür sie das Geld ausgeben.
Besonders perfide: Der Staat zahlt für “alte Rechtstitel”. Diese “Rechtstitel” sind solche Sachen wie der “Zehnt“.
April 12th, 2010 at 10:47 am
[…] Landeshaushalt 2010 sollen die Zuwendungen an die Kirchen um 2.5 Millionen Euro aufgestockt werden. (+3 finden 3 Leser diesen Beitrag) Loading […]
April 12th, 2010 at 11:30 am
Anfrage an Bodo Ramelow ist gerade raus:
Sehr geehrte Damen und Herren,
für die Erstellung eines Dossiers zur Stellung des Landes Thüringen zur
Kirchenfinanzierung hatten wir Anfang letzter Woche eine Anfrage an das Thüringer Kultusministerium gestellt und um die Beantwortung folgender
Fragen gebeten:
Der Entwurf zum Landeshaushalt 2010 sieht eine Erhöhung der Zuweisungen
an die Evangelische Landeskirche um 1.880.000 Euro vor.
Erste Frage: Wie kommt es zu einer Erhöhung der Mittel um rund zwei
Millionen Euro vom Jahr 2009 zum Jahr 2010? Welche konkreten Umstände
machen eine solch erhebliche Erhöhung notwendig?
Im Jahr 1994 lag die Staatsleistung bei 1.100.000 DM (rund 550.000 Euro)
für die Abgeltung der Baulasten und 18.240.000 DM (rund 9 Millionen
Euro) für die Abgeltung aller anderen älteren Titel.
Zweite Frage: Wie kommt es zu einer Erhöhung der Staatsleistung
innerhalb von 16 Jahren um fast das Doppelte, also rund 7 Millionen Euro?
Der Staatskirchenvertrag zwischen dem Freistaat Thüringen und den
Evangelischen Kirchen sieht in Artikel 13 Absatz 1 die staatliche
Besoldung von Mitarbeitern der Evangelischen Landeskirche vor.
Dritte Frage: Inwieweit ist damit die Vereinbarkeit mit Artikel 140 GG
(“Es besteht keine Staatskirche”) gewährleistet?
Artikel 13 Absatz 1 des Staatskirchenvertrages sieht außerdem auf
sogenannten “älteren Rechtstiteln” beruhende Zahlungen vor.
Vierte Frage: Um welche Art von “Rechtstiteln” handelt es sich dabei
konkret? Bitte nennen Sie sämtliche Titel! Ist dies vereinbar mit
Artikel 140 GG?
Das Kultusministerium hat auf diese Nachfrage bis heute nicht geantwortet. Das Dossier ist inzwischen erschienen:
https://www.thueringerblogzentrale.de/2010/04/10/haushalt-2010-mehr-kirchensteuern-fur-alle-thuringer/
Da an der Beantwortung der oben gestellten Fragen weiterhin erhebliches Interesse besteht, möchten wir Herrn Ramelow als “kirchenpolitischen Sprecher” und Fraktionschef der Landtagsfraktion der Linken im Thüringer Landtag bitten, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen oder sie im Rahmen einer kleinen Anfrage im Thüringer Landtag beantworten zu lassen.
Über eine baldige Antwort würden wir uns sehr freuen und bedanken uns dafür im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen,
April 12th, 2010 at 11:40 am
Nun, ob der Ramelow der Richtige für diese Frage ist? Hat der sich nicht vor der Wahl noch an die Kirchen kräftig rangewanzt?
Naja, aber ich hab gut reden … Danke Sven :)
Nochwas: Ist denn der Autor von TBZ-Artikeln nicht mehr sichtbar?
April 12th, 2010 at 11:45 am
Tech-O-matic, Ramelow ist Christ. Und als solcher genau der richtige für solche Fragen … :)
April 12th, 2010 at 4:30 pm
Jetzt heißt es weiter geduldig auf die Antwort der Thüringer Landesregierung warten:
http://twitter.com/bodoramelow/status/12046124034
April 12th, 2010 at 10:56 pm
Irgendwann hatte ich mal in Geschichte etwas von Säkularisierung gelernt – Trennung von Staat und Kirche. Sieht wohl doch alles arg anders aus.
April 14th, 2010 at 9:18 am
Es ist relativ simpel, man muß nur mal Art. 13 des Vertrages lesen:
Abs. (3) Ändert sich nach dem 1. Januar 1994 die Besoldung der Beamten im Staatsdienst, so ändert sich die Staatsleistung auf der Grundlage der für das Jahr 1994 vereinbarten Höhe entsprechend. Zugrunde gelegt wird das Eingangsamt für den höheren nichttechnischen allgemeinen Verwaltungsdienst, Besoldungsgruppe A 13 der Bundesbesoldungsordnung, 7. Dienstaltersstufe, verheiratet, 2 Kinder.
Zum 1.1.2010 wurde die Beamtenbesoldung auf Westniveau angehoben, also erhöht sich auch die Staatsleistung.
Noch ein Hinweis zur Grafik des Deutschen Caritasverbandes: Es wäre schön, wenn die Caritas ihre Arbeit maßgeblich durch den Verkauf von Wohlfahrtsbriefmarken finanzieren könnte. Der deutsche Caritasverband ist jedoch nur die gemeinsame Interessenvertretung der einzelnen, unabhängigen Caritasvereine. Man kann also keine Rückschlüsse auf die Finanzierung der einzelnen Vereine treffen. Deren Einnahmen entstammem überwiegend den Sozialversicherungskassen.
April 14th, 2010 at 10:53 am
Tom, dementsprechend stellt sich die Frage (siehe oben:
Entscheidend ist doch, dass vom Kultusministerium klar bekannt wird, dass die Gehälter der Kirchenmitarbeiter vom Freistaat bezahlt werden. Denn das ist bisher den wenigsten bekannt.
Was die Caritas betrifft: Selbstverständlich wäre auch eine Finanzierung durch “Gotteslohn” eine sehr sparsame Variante. Zur Zeit ist es jedoch so, dass der finanzielle Löwenanteil von Versicherten und vom Staat getragen wird. Und der besteht in Thüringen nun mal aus 70% Atheisten.
Wie kann es da sein, dass in den Einrichtungen der Caritas andere Gesetze gelten, als in sonstigen staatlichen Betrieben? Nämlich Kirchenrecht. Sonderrecht. Das sieht vor, dass Mitarbeiter unter Tarif bezahlt werden, keine Gewerkschaften betreiben dürfen und aus Gesinnungsgründen DISKRIMINIERT werden dürfen.
Wer bekennender Atheist ist, wird gar nicht erst eingestellt oder wird in seinen Aufstiegsmöglichkeiten behindert. Geschiedene werden entlassen. Das ist ein Eingriff in die persönliche Lebensführung und hat in einem – de facto – staatlichen Unternehmen nichts zu suchen.
Es ist ein Skandal, dass ein solches Vorgehen staatlich derartig üppig subventioniert wird. Das aufzuzeigen war Aufgabe der Grafik.
Wie hoch der Anteil an Ausgaben der Kirchen für allgemeine soziale Zwecke ist, kann man ja an der Haushaltsgrafik ersehen: 1,2%
April 16th, 2010 at 6:28 pm
Nun, der Freistaat Thüringen tritt die Rechtsnachfolge der DDR, und älterer Staatenwesen an, die mit den jeweiligen Kirchen einen Vertrag hatten.
Auch würde die Institution Kirche, gerade die evangelische unter der Finanzlast der Personalkosten und Baukosten zusammenbrechen.
Die Diskriminierung Konfessionsloser bei Stellenausschreibungen ist bei den Kirchen mit dem “Sendungsauftrag” begründet. Viele Sozialarbeiter lassen sich nur wegen der kirchlichen Arbeitsstelle taufen.
Es gibt noch andere Probleme, auf die ich hier aber nicht eingehen möchte…
April 22nd, 2010 at 7:28 am
@FKuschel Bitte Ehrenamt http://is.gd/bqTJL und Kirchensteuer http://is.gd/bDaoA nicht vergessen!
April 27th, 2010 at 5:00 pm
[…] Vor zwei Wochen berichteten wir, dass jeder Thüringer Steuerzahler damit im Jahr etwa 30 Euro an die Kirchen zahlt. […]
April 29th, 2010 at 10:36 pm
Gibt es in Thüringen keine anderen Probleme…
Gääähn…
April 30th, 2010 at 10:51 am
Doch, aber das ist eins seiner größten.
May 5th, 2010 at 2:41 am
Ein Volksentscheid, selbst wenn man ihn verliert, hätte den Vorteil, daß mehr Menschen aufgeklärt werden könnten.
Ich bin vor Jahrzehnten ausgetreten, und spitze gerne die Ohren, wenn jmd. etwas gegen die Kirchen vorbringt, aber diese Information über die enormen Zahlungen an die Kirche waren mir neu – nicht die Tatsache mit Kindergärten/ Krankenhäusern etc., aber dass Bischöfe bezahlt werden, dass so viel für den Erhalt der Kirchen bezahlt wird, usw.
Ich glaube viele Leute glauben die Kirchen würden den Großteil der Kosten ihrer sozialen Einrichtungen tragen, und daß Bischofsgehälter von der Kirchensteuer bezahlt werden.
Und bei Gelegenheit der Diskussion könnte man dann auf den Skandal der Personalpolitik dieser Institutionen hinweisen – dass Diskriminierung dort stattfindet, bezahlt mit Steuergeldern – ein Unding. Dass da noch niemand in Brüssel geklagt hat …
October 23rd, 2010 at 7:46 pm
@helias00 Der hier gehört noch dazu: http://is.gd/geBuP
October 23rd, 2010 at 8:02 pm
Wir alle zahlen Kirchensteuern: http://is.gd/geBuP Die Gründe werden verschleiert: http://is.gd/geB51
October 23rd, 2010 at 8:07 pm
RT @_sapereaude_: Wir alle zahlen Kirchensteuern: http://is.gd/geBuP Die Gründe werden verschleiert: http://is.gd/geB51
October 23rd, 2010 at 10:11 pm
RT @_sapereaude_: Wir alle zahlen Kirchensteuern: http://is.gd/geBuP Die Gründe werden verschleiert: http://is.gd/geB51
June 11th, 2011 at 7:40 pm
[…] die die Kirchen nach Belieben ausgeben können. Es gibt zwar keine “Staatskirche” aber allein der Freistaat Thüringen zahlt jährlich rund 22 Millionen Euro an die beiden Großkirchen. Der Thüringer SPD-Abgeordnete Rolf Schwanitz bringt den Grund für die Initiative seiner […]
May 27th, 2012 at 7:54 pm
[…] Thüringer Blogzentrale Kirchensteuerinfo Bewerten:Share this:E-MailDruckenFacebookTwitterFlattrGefällt mir:Gefällt […]